Hagelsturm bei 16%

Ein absoluter geiles Radsportevent hat mir gestern alles abverlangt, aber 24 Stunden später überwiegt die Zufriedenheit. Gino ist wieder sauber und hat mindestens genauso gelitten wie ich.

Ein besonderer Dank geht an Grex, der mich heute grandios unterstützt hat. Danke Grex.

Aber der Reihe nach. Morgens um 5 schellte der Wecker und beendete eine unruhige Nacht mit zuwenig Schlaf. Während ich meine Klamotten anzog, wurde das Frühstück in Form von anderthalb Powerbar zu mir genommen 😉 Etwas anderes hätte ich um diese Zeit sowieso nicht verdrücken können. Der Magen war versorgt und los gings, Grex einladen. Pünktlich um 6 gings auf die Autobahn Richtung Belgien mit Ziel Spa. Hier wimmelte es nur so von Radsportlern. Ein Parkplatz war trotzdem schnell gefunden und sofort wurden die Räder ausgeladen und justiert.

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Das Wetter war auch deutlich besser als vorhergesagt 🙂 und so machte sich Zuversicht breit, daß es ein toller Radsporttag werden würde.

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Wurde es auch, aber anders als erwartet 😦 Nachdem die Startnummern am Lenker befestigt waren, ging es um 8:00 Uhr für uns zwei los. Insgesamt waren 3900 Teilnehmer auf den vier Strecken von 82, 140, 178 und 228 Km unterwegs.

Nach knapp einem Kilometer begann das Warmup mit dem ersten Anstieg des Tages. Der Le Maquisard mit 3000 m Länge und max. 10 % Steigung (Durchschnitt 5,1) eignet sich auch ideal für dieses vorhaben. Wir fuhren locker nebeneinander her und quasselten noch ein wenig. Dabei wunderten wir uns über die teilweise doch recht forsche Fahrweise vieler anderer Teilnehmer so früh am Tag. So war der Berg recht schnell Geschichte. Nach einer weiteren Erhebung ohne offizielle Titulierung „vor 11 Jahren war der Hautregard noch gelistet“ ging es dann hinunter nach Remouchamps, den Heimatort vom amtierenden Weltmeister Phillipe Gilbert, aber auch der Ausgangspunkt von Anstieg Nr.2, der Cote de la Redoute, 1650m lang, Max 20%, Schnitt 9,7. Hier ging es das erste Mal für mich an´s Limit. Hier geht nur „Alles oder schieben.“ Am Ende war für mich schon klar, gut das ich Gino mit seiner Compactkurbel gekauft habe. Mit Fausto und der früher herkömmlichen Übersetzung wäre es heute für mich nicht mehr möglich, einen solchen Tag mit diesen Steigungen zu überleben 😉

Nach kurzer Erholung mit leichtem Auf und Ab ging es in rauschender Abfahrt in´s Tal der Ambleve, nur um nach Überquerung des Flußes gleich in die nächste Wand zu rauschen. „Den Anstieg kenne ich“ waren Grex Worte, bevor ich ihn nur noch von hinten sehen konnte. Der Cote Chambralles (1550m, Max 20%, Schnitt 9,5) wird auch bei T-B-T gefahren, wo er letztes Jahr teilgenommen hatte. Ich orientierte mich an meinem Puls und merkte hier bereits, daß mir diese brutalen Steigungen lange nicht mehr so gut liegen, wie früher. Aber das half mir jetzt auch nicht. Druck Druck Druck auf´s Pedal um die Steigung hochzuwuchten. Anschließend hatten wir noch knapp über 20 Km bis zur ersten Kontrolle, und das ohne offizielle Steigung. Dafür aber mit vier namenlosen Anstiegen mit regelmäßig 7 – 9 % 😉 Nachdem wir uns im Tal der Aisne bei der ersten Verpflegung versorgt hatten, ging es direkt in den Cote de Roche de Frene. Diesen Anstieg hatte ich leichter in Erinnerung, aber die Daten und meine Beine sprachen eine andere Sprache. 2000m, Max13, Durchschnitt 9,7 saugten die nächsten Körner aus meinen Beinen. Grex fuhr wieder locker etwas weiter vor mir die Berge hoch und genoss die grandiose Landschaft. Aber auch ich erfreute mich den ganzen Tag an der tollen Strecke. 95 Prozent führte durch Feld, Wald und Wiese. Das ganze gepaart mit tollen Aussichten….. ein echtes Highlight….

Weiter ging es durch den Wald von Burnontige über einen weiteren langen namenlosen Anstieg Richtung Werbomont, ehe uns eine schöne Abfahrt in´s Tal der La Lienne und zum nächsten Anstieg brachte. Der zweitlängste Berg des Tages, der L´Ancienne Barriere gehört zur leichteren Sorte. 4800 m, Max 6 mit durchschnittlich 4,7 % ließen sich gut raufkurbeln. Aber der schleichende Prozess des „Körner aus dem Körper holen“ setzte sich fort. Und das nach gerade mal 65 Km. Ich war mit mir und meinen Beinen überhaupt nicht zufrieden. Eigentlich war ich sogar enttäuscht von mir. Machten sich hier die fehlenden Höhenmeter und damit verbundene fehlende Härte bemerkbar ????

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Nach der nächsten langen und schönen Abfahrt über die N66 verließen wir diese und es ging mit dem Cote Saint Jaques weiter. Nochmal 4700 m mit niedrigen (max 6,5 bei Schnitt 5) Steigungsprozenten führten uns wieder mitten durch die Natur Richtung Ondrimont. Kaum Zivilisation begleitete uns auf den nächsten Km. Dafür veränderte sich die Wetterlage. Am Himmel machten sich dunkle Wolken breit, die Unheil ankündigten. Nach der Abfahrt hinunter nach Vielsam folgte zu Beginn des Anstiegs Cote de Neuville die zweite Verpflegung und pünktlich setzte der erste Regenschauer ein. Unter Bäumen geschützt, nahmen wir die feste und flüssige Nahrung zu uns und warteten den kurzen Schauer ab. „Ich bin schon ein wenig angeknockt“ sagte ich zu Grex, nach mittlerweile fast 2000 gefahrenen Hm.

Der Rest der Steigung über eine enge und schlechte Straße war schnell erledigt. Jetzt sollte es 30 Km bis zur nächsten Steigung halbwegs einfach werden 😉 Aber was heißt in einer Region, wo es immer nur rauf oder runter geht, schon einfach???? Auf diesem Streckenabschnitt erreichten wir mit 580 Metern über NN den höchsten Punkt des ganzen Tages….. so ganz nebenbei….. Das ganze Auf und Ab wollte ich mit möglichst geringem Aufwand abspulen, was auch dank der häufigen Führungsarbeit von Grex gut klappte. Schließlich wusste ich, was uns auf den bevorstehenden 5 offiziellen Anstiegen noch erwartete 🙂

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Über rauhen und teilweise schlechten Asphalt ging es in rauschender Abfahrt Richtung Stavelot. „Kleines Blatt“ rief ich zu Grex und schon ging es in scharfer Linkskurve sofort in die Cote le Stockeu. Bei einer Länge von 2300 m hat der durchschnittlich 9,9 % Steigung. Direkt zu Beginn geht es mit“ leichten“ 13 % Prozent los. Hier mussten viele vom Rad und staksten schiebend den Berg hinauf. Dadurch musste ich in die Mitte der Fahrbahn ausweichen, die mit Rollsplitt übersät war. Hier war dann abrupt Schluß mit Wiegetritt, da mein Hinterrad keinen Gripp mehr hatte. Also war sitzend weiterfahren angesagt, was bei 21 Prozent nicht ganz so einfach ist. Mir kam mein Vorderrad leicht wippend entgegen. Oberkörper runter, Buckel machen und ordentlich auf’s Pedal drückend, ging es weiter und weiter den Berg hinauf. Eddy Merckx zu Ehren wurde hier vor Jahren eine Skulptur errichtet. Sozusagen ein Wallfahrtsort für die belgischen Radsportler 😉

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Nachdem Stockeu folgt direkt der Wanneranval, der dadurch nicht wirklich einfacher wird. 1800 m, Durchschnittlich 9,1 mit max 16 % sprechen noch einmal eine deutliche Sprache. Und als ob das nicht reicht, prasselte hier an der steilsten Stelle ein kurzer, aber heftiger Hagelschauer auf uns nieder. Das hatten wir so auch noch nicht erlebt, stellten wir unisono fest. Echtes belgisches Klassikerwetter eben. Wenn schon, dann richtig……….

An der letzten Kontrolle auf einem Höhenzug war es sehr windig und kalt. Futtern, Trinken und die Lage inspizieren war angesagt. „Nur noch 35 Km mit 800 Hm“ ließ Grex verlauten. „Noch ein echter Drecksantieg“ war meine Antwort. Die letzten beiden schaffen wir dann auch noch. „Also los, ich friere“…….. Die anspruchsvolle Abfahrt runter nach Trois Ponts wurde vorsichtig bei nasser Straße gemeistert. Im Tal der Ambleve rollten wir kurzfristig im Pulk zum Einstieg in den Cote le Thier de Coo. Meiner Streckenkenntnis war es zu verdanken, daß wir wieder frühzeitig die Bergübersetzung auflegen konnten, was nicht allen aus der Gruppe gelang und los ging es. Nocheinmal 2600 m mit durchschnittlich 8,5 Prozent. Nach anfänglich 12 % wird dieser Anstieg kurzeitig einstellig, um sich dann in Form einer schönen Rampe auf 17 % vor dem Radfahrer aufzustellen. „Den schaff´ste auch noch“ redete ich mir ein. Nach dem Steilstück zieht sich der Berg bei nachlassender Steigung, dafür aber auf schlechtem Asphalt, noch ein wenig weiter. Im Kopf machte sich langsam etwas Zufriedenheit breit. Alles geschafft…. Bisher….

Jetzt ging es oberhalb von Stavelot über eine alte Bahntrasse zum Haute Levee (3500m, Max 12, Schnitt 5,6). Der schwerste Teil ist direkt zu Beginn, wo ich mich hochquälte. Im weiteren Verlauf lässt die Steigung nach und ich konnte Grex vor mir sehen und rollte langsam wieder an ihn heran. „Jetzt noch der Rosier“ sagte ich zu ihm. Der Weg dorthin führt noch einmal durch ein Hochmoor und hält eine schöne Abfahrt bereit. Und dann war er da, der 12te und letzte Anstieg des Tages, aber auch mit 5000 m der Längste. Max 12 sind auch nicht zu verachten, die sich aber durch eine Kehrengruppe gut fahren lassen. Mit im Schnitt 5,7 % kann man hier noch mal ein wenig Druck auf´s Pedal bringen, so oder so. Bei mir lief es auf einmal erstaunlich gut, während überraschenderweise bei Grex der Akku leer war. Jeder kurbelte die Steigung so gut er konnte hoch. Auf der Kuppe machte das Schild „10 Km Spa“ deutlich, was jetzt noch vor uns lag…… Eine schöne, lange Abfahrt. Ich rollte sie zunächst entspannt runter um auf Grex zu warten. Kurzes Abklatschen und ab ging es, die letzten Km gen Spa. Bei Sonnenschein rollten wir in´s Ziel und vielen uns Stolz in die Arme 🙂  Eine Wahnsinnstour war zu Ende ……….

Fleche Wallone

Die Heimfahrt nach Düsseldorf verging wie im Flug und nach 16 Stunden Tiefschlaf hat sich Grex wieder bei mir gemeldet. Ich brauchte nicht ganz soviel Schlaf und bin heute nachdem Gino wieder sauber ist, zufrieden mit dem Geleisteten und ziehe viel Positives aus dem gestrigen Tag !!!!

Fleche Wallone 2013